Heute ist ein guter Tag!

    Unsere Hebamme hat den Eltern des neugeborenen Elia erklärt: Wenn ihr Zeit zum Duschen findet, ist das ein guter Wochenbetttag. Die Grossmutter von Elia sieht das zwar anders – aber in einer Sache sind sich alle einig.

    Komm einfach rein. Die Tür ist offen, ich bin am Stillen», steht in der Textnachricht, die kurz vor meinem Wochenbettbesuch von Rahel eintrifft. Ich trete also ein, höre ein «Hallo» aus dem Schlafzimmer, wasche mir die Hände und gehe dann weiter ins abgedunkelte Zimmer, wo Rahel mit Elia, ihrem 7 Tage alten Sohn, im Bett sitzt. Sie sieht müde, aber glücklich aus. «Jonas ist grad am Duschen. Du musst entschuldigen, wie es hier aussieht. Es ist Nachmittag, und ich bin immer noch nicht geduscht und angezogen». «Alles gut», sage ich, setze mich auf den Bettrand. Elia trinkt an der Brust und ist kurz vor dem Einschlafen. «Wir fragen uns, wie das Frauen machen, die zwei oder mehr Kinder haben und deren Mann wieder zur Arbeit muss. Jonas und ich sind nonstop beschäftigt. Das Stillen dauert jedes Mal eine Stunde. Dann wickeln, was sich auch in die Länge ziehen kann. Danach hilft Jonas Elia einzuschlafen und ich bin mit meinen Brüsten und Binden beschäftigt. Irgendwann dazwischen versuchen wir etwas zu essen, und dann beginnt schon wieder alles von vorne, und es ist Abend, und wir haben nichts anderes gemacht.»

    Jonas kommt aus der Dusche und strahlt. «Es ist ein guter Tag!», ruft er in meine Richtung und wir lachen. Ich weiss noch, wie mich beide ungläubig ansahen, als ich in der Vorbereitung gesagt habe, ein guter Wochenbetttag sei einer, an dem sie es schaffen würden, zu duschen und sich die Zähne zu putzen. Ich bin froh, erinnern sie sich an dieses Gespräch. Es ging um unerreichbare Mutterbilder und Erwartungen im Zusammenhang mit Elternschaft, um Sätze, die Rahel von ihrer Mutter über Erziehung im Ohr hatte. «Schreien stärkt die Lungen», oder «Das Kind darf nicht zu fest verwöhnt werden», und natürlich, «Man soll sich selbst nicht aufgeben».

    In diesem Augenblick fliegt die Haustüre auf, und ein fröhliches «Juhuu!» erfüllt den Flur. «Meine Mutter», sagt Rahel schmunzelnd. «Sie bringt uns eine Lasagne und Stilleinlagen». Man hört, wie Rahels Mutter in der Küche die Einkäufe auspackt. «Ich habe noch gleich Stilltee gekauft, man weiss ja nie. Und da gab es eine Aktion von Windeln.» Ihre Stimme kommt näher, begleitet vom Geräusch hoher Absätze. Eine zierliche, elegante Frau im Deuxpièce erscheint unter dem Türrahmen. Sie blickt ihre Tochter an. «Kind, wie siehst du denn aus!» «Alles gut!», kommt es wie aus einem Mund von Rahel und Jonas, und alle lachen. Als die Grossmutter ihren Enkel wenig später stolz in den Armen hält, erzählt sie, wie es damals war, als sie im Wochenbett lag. Ja, die Zeiten ändern sich. Doch eines bleibt gleich: Heute wie damals wollen alle Eltern das Beste für ihr Kind.