Im Wochenbett mit Tee und Kuchen

    Die Patientin von Hebamme Carole Lüscher erholt sich nach einer Entzündung ihrer Kaiserschnittnarbe gemeinsam mit den beiden Kindern bei deren Grossseltern.

    Von hier aus erreichen Sie Ihr Ziel zu Fuss», sagt die Stimme meines Navi und zeigt mir ein Haus hügelaufärts an, unweit von meinem Standort. Es regnet, windet und ist unfreundlich. Ich parke das Auto abseits der Strasse, ziehe den Kragen hoch, nehme die Wochenbetttasche und steige aus. Meine Haare fliegen in alle Richtungen und der Wind riecht nach Herbst. Mit schnellen Schritten folge ich dem sumpfigen Pfad Richtung Bauernhaus. Nach dem Klingeln öffnet mir die Mutter von Wöchnerin Lara, das ist offensichtlich. «Hallo, Willkommen! Kommen Sie herein!» Im Haus erfahre ich, dass alle Navis die direkte Strasse zum Haus noch nicht kennen. Es gibt Schlimmeres. Die zierliche Frau hat warme, freundliche Augen. Man fühlt sich in ihrer Anwesenheit augenblicklich wohl. Ich kann verstehen, dass Lara nach dem Kaiserschnitt und den ersten schwierigen Tagen im Spital hierher kommen wollte. Ihr Mann hat seinen Vaterschaftsurlaub von einer Woche für die Betreuung des dreijährigen Matteo aufgebraucht, als Lara im Spital war. Nun musste er wieder arbeiten und sie wäre mit einem Neugeborenen, einem Dreijährigen und einer Wundinfektion alleine zu Hause geblieben. Als sie ihre Eltern um Hilfe bat, quartierten sie die drei kurzerhand bei sich ein. «Das ist für alle einfacher», hat der Nonno gemeint. So mache ich meine Wochenbettbesuche nun also hier.

    Obwohl der Weg weiter ist, habe ich doch Gewissheit, dass die Wöchnerin sich stillhalten und die Wunde so gut heilen kann. Lara liegt mit dem frischen Bübchen im Arm auf dem Sofa. Neben ihr auf dem Tisch stehen und liegen Stillutensilien, eine Tasse Tee, Apfelschnitze, Nüsse, Kekse, Spielzeugauto und -bagger – eben das richtige Wochenbett-Sammelsurium einer zweifachen Mutter. Lara sieht geschafft aus. Sie ist blass und hat tiefe Ringe unter den Augen. Ich setze mich zu ihr auf den Rand des Sofas. «Wie geht es dir?», frage ich. «Jetzt gut», sagt sie, und in ihrer Stimme ist Erleichterung zu hören. Sie erzählt von den anstrengenden Tagen im Spital, wo die Wunde nicht heilen wollte und anschliessend nochmals operiert werden musste. Es hatte sich ein grosser Bluterguss gebildet, Lara konnte erst aufstehen, nachdem dieser entfernt wurde. Tränen fliessen. Ihre Mutter steht sichtlich mitfühlend neben dem Sofa. «Jetzt pflegen wir dich wieder gesund!», meint sie. Während ein Kaffee für mich gebraut wird, kümmere ich mich um die Wunde und das Neugeborene.

    Das Stillen klappte zum Glück von Anfang an gut und der Kleine ist bereits wieder über dem Geburtsgewicht. Der Kaffee und der duftende Kuchen sind gerade aufgetischt, da tauchen Nonno und Matteo vor dem Fenster auf, beide in Regenmontur und mit Pamiren auf dem Kopf. Lara lacht. «Die beiden sind schon den ganzen Morgen draussen und beobachten, wie die Bäume gefällt und abtransportiert werden.» Mit roten Backen stapft Matteo in die Stube und schreit: «Jetzt sind sie fast fertig!». Er hat noch immer den Pamir auf dem Kopf. Der kleine Bruder zuckt zusammen, lässt sich aber nicht aus der Ruhe bringen. «Ja, daran musst du dich gewöhnen, kleiner Mann», flüstert Lara ihm zu. Jetzt merkt Matteo, dass noch jemand anderes da ist. Er stemmt seine Fäuste in die Seite und schreit: «Bist du die Amme?»